Implementierung von SAP S/4HANA

Implementierung von SAP S/4HANA

In diesem Blogbeitrag werden (i) verschiedene Implementierungsszenarien für die SAP Business Suite 4 SAP HANA (kurz: SAP S/4HANA) aufgezeigt, (ii) die SAP Activate Methodology beschrieben und (iii) anhand zweier Beispiele die zur Implementierung notwendigen Schritte und wesentlichen Aspekte beschrieben.

Grundsätzliche Informationen über S/4HANA finden Sie im Blogbeitrag „SAP revolutioniert den Markt für ERP Lösungen durch SAP S/4HANA“.

Für S/4HANA bestehen im Wesentlichen drei Implementierungsszenarien, die in der folgenden Abbildung dargestellt sind: 

SAP Implementierungsszenarien

Abb. 1: Übersicht möglicher Implementierungsszenarien

Die Szenarien 1 und 2a werden im späteren Verlauf dieses Blogbeitrags näher beschrieben. Szenario 3, die Landscape Transformation, kann Anwendung finden, wenn die existierende, heterogene SAP ERP-Landschaft konsolidiert werden soll. Aufgrund der Verringerung der Anzahl der Systeme kann die Total Cost of Ownership reduziert und die Qualität der Stammdaten erhöht werden. Außerdem kann Szenario 3 Anwendung finden, wenn z.B. Company Codes nur selektiv auf S/4HANA gebracht werden sollen (z.B. als Pilot für eine unternehmensweite S/4HANA-Einführung).

Kunden werden bei der Implementierung von S/4HANA durch SAP Activate, das neue Innovation Adaption Framework der SAP, unterstützt.

SAP Activate

Abb. 2: SAP Activate – Innovation Adaption Framework

SAP Activate besteht aus den folgenden drei Komponenten:

 

  • Methodology: Die Methodologie stellt ein gemeinsames Framework und eine gemeinsame Sprache für alle SAP-Projekte dar. Durch sie sollen die Komplexität reduziert und die Qualität erhöht werden, um eine konsistente Projektdurchführung sicherzustellen. So werden beispielsweise mithilfe des „SAP Roadmap Viewers“ für jede Projektphase Arbeitsanweisungen für Projektteam Mitglieder und Deliverables für Projektmanager zur Verfügung gestellt. Zudem werden „Accelerators“ wie How-to-Dokumente oder Templates bereitgestellt. Eine beschleunigte Durchführung des Projekts wird u.a. durch die Verwendung von Best Practices, Fit-Gap-Analysen, und Agile-Projektmanagement sichergestellt. Die Methodologie umfasst sowohl das initiale Deployment als auch kontinuierliche Verbesserungen.
  • Best Practices: SAP stellt seinen Kunden für die Implementierung von S/4HANA drei Modell Unternehmen mit verschiedenen Schwerpunkten zur Verfügung (Enterprise, Project Services oder Marketing). Diese Templates enthalten ready-to-use Business Prozesse und Standard Konfigurationen, inkl. Datenstrukturen, Organisationsstrukturen und Stammdaten. Darüber hinaus werden z.B. auch Best Practices für die Daten-Migration wie Interface Konfigurationen und Validierungsregeln sowie Best Practices für die anschließende Reconciliation der Daten bereitgestellt.
  • Guided Configuration: Die Guided Configuration wird mittels der Fiori App “Manage Your Solution” gesteuert. Mit dieser App können Sie folgende Aufgaben erledigen:

 

    • Konfiguration Ihrer Lösung – für die initiale Implementierung und kontinuierliche Innovationen im Rahmen eines Content Lifecycle Managements
    • Testen Ihrer Prozesse – Businessprozess-getriebene, vordefinierte, automatische Tests
    • Scope Ihrer Lösung betrachten – Überblick über aktivierte Business-Prozesse und Länder-Versionen
    • Migration Ihrer Daten – integrierte Engine für die Migration einfacher Daten
    • Training und Onboarding von Nutzern – geführte Produktübersichten
    • Management Ihrer Test-Prozesse – Umgebung zur Verwaltung von Testfällen, inkl. bereits vorbereiteter Testfälle

 

Im Folgenden wird die Einführung von S/4HANA anhand von Szenario 1: „System Conversion“ und Szenario 2a: „Neu-Implementierung“ (Cloud) beschrieben.

Szenario 1: System Conversion

Von einer „System Conversion“ wird gesprochen, wenn ein bestehendes SAP ERP-System in ein SAP S/4HANA-System konvertiert werden soll – unabhängig davon, ob das bestehende System bereits SAP HANA als Datenbank verwendet oder das ERP-System auf einer beliebigen anderen Datenbank läuft. Der Vorteil der System Conversion besteht darin, dass keine komplette Reimplementierung notwendig ist, um SAP S/4HANA nutzen zu können.

Grundsätzlich ist es möglich, die folgenden SAP ERP Releases in einem Schritt nach S/4HANA zu konvertieren:

  • ERP 6.0 mit EHP 0-7
  • ERP 6.0 auf SAP HANA
  • ERP 6.0 auf SAP HANA, inkl. SAP S/4HANA Finance 1.0/2.0

Dabei gestaltet sich die Konvertierung leichter, je höher das aktuelle Release-Level ist. Als Voraussetzung für eine Konvertierung muss das bestehende System auf Unicode sein, da die Konvertierung von einem Nicht-Unicode-System auf ein Unicode-System nicht direkt mit dem Wechsel der Datenbank verbunden werden kann.

Eine Ein-Schritt-Konvertierung von ERP 4.6c oder älteren Releases auf S/4HANA ist nicht möglich; zunächst ist die Konvertierung von 4.6c auf 6.0 als Zwischenschritt erforderlich. Ob dieses zweistufige Vorgehen sinnvoll ist oder sich eine komplett neue Implementierung als vorteilhaft darstellt, muss vorab evaluiert werden.

Die folgende Abbildung gibt einen Überblick darüber, welche Arbeitspakete in welcher der SAP Activate Phasen im Rahmen einer System Conversion durchzuführen sind:

Implementierung von SAP S/4HANA

Abb. 3: Arbeitspakete pro SAP Activate-Phase im Rahmen einer System Conversion

Da die Discover Phase und die Run Phase keine wesentlichen Phasen einer System Conversion darstellen, wird im Folgenden nicht näher auf sie eingegangen.

Die wichtigsten und zeitaufwendigsten Phasen stellen die Prepare Phase und Explore Phase dar, in denen die folgenden Schritte durchgeführt werden müssen:

  • Durchführung von Checks im bisherigen System, im Rahmen derer überprüft wird, ob die Voraussetzungen für eine Konvertierung auf S/4HANA gegeben sind. Dabei wird insbesondere überprüft, ob installierte Add-ons und die ggf. verwendete Industry Solution bereits für S/4HANA verfügbar sind. Da in S/4HANA ein neues Datenmodell mit neuen Tabellen verwendet wird, muss zusätzlich überprüft werden, inwieweit Custom Code weiter verwendet oder angepasst werden muss.
  • Analyse der bisherigen Prozesse und Mapping zu den SAP S/4HANA-Innovationen.
  • Vorbereitende Arbeiten im bisherigen System, z.B.
    • Non-Unicode – Unicode-Konvertierung (falls erforderlich)
    • Einführung des „Business Partners“, der die bisher getrennten Informationen zu Kunden und Lieferanten in S/4HANA vereint
  • Migration auf ein Sandbox-System (für frühe Analysen und Optimierung des Custom Codes, Business Tests etc.)

Nur, wenn alle für die System-Konvertierung notwendigen Schritte im Rahmen der Prepare-Phase durchgeführt wurden, darf die Konvertierung gestartet werden. Diese notwendigen Schritte werden bei der eigentlichen Konvertierung noch einmal durch den Software Update Manager überprüft, der die Konvertierung stoppt, falls nicht alle Konvertierungs-Voraussetzungen erfüllt sind. Das Ergebnis der Prepare Phase und Explore Phase kann auch sein, dass eine System-Konvertierung nicht oder nur mit erheblichem Aufwand möglich ist und sich daher eher eine Neu-Implementierung anbietet, sofern S/4HANA genutzt werden soll.

In der Realize Phase sind folgende Schritte durchzuführen:

  • Konvertierung des DEV Systems auf S/4HANA
  • Durchführung von Custom Code Anpassungen
  • Delta Customizing

Die Deploy Phase umfasst die folgenden Schritte:

  • Konvertierung des PROD Systems aus S/4HANA
  • Anwendung aller Änderungen aus dem DEV System
  • Postprocessing

Zur Durchführung der technischen Schritte stellt SAP einige Tools zur Verfügung: (i) Maintenance Planner (Nachfolger des Maintenance Optimizers): Durchführung von System Checks, z.B. bzgl. Industry Solutions oder Add-ons; (ii) Software Update Manager (SUM): Durchführung von technischen Updates und (iii) Database Migration Option: Feature des SUM, das verwendet werden kann, wenn eine OS/DB-Migration durchgeführt werden muss.

Zudem werden aus funktionaler Sicht folgende Hilfsmittel zur Verfügung gestellt: (i) Simplification List: Übersicht über alle Aspekte, die in S/4HANA geändert wurden, neu sind oder ersetzt/zusammengeführt wurden; (ii) Conversion Pre-Checks: Aufzeigen aller Schritte, die vor der System Conversion zwingend durchzuführen sind und (iii) Custom Code Analysis Tools und Simplification Database: Ermittlung von Custom Code, der angepasst werden muss.

Darüber hinaus bietet der Solution Manager eine Übersicht über alle Detail-Schritte, die pro SAP Activate-Phase durchgeführt werden müssen. Er enthält zusätzlich Informationen zu Deliverables und Accelerators pro Phase.

Wichtig zu beachten ist, dass eine System Conversion kein reines IT Projekt darstellt, da es beim Übergang von bisherigen SAP ERP-Lösungen auf SAP S/4HANA diverse neue Prozesse und Features gibt, die fachlich bewertet werden müssen. Daher ist es für die Durchführung eines erfolgreichen Konvertierungsprojekts essentiell, auch Vertreter aus den von der Umstellung betroffenen Fachabteilungen in das Projekt einzubinden.

Szenario 2a: Neu-Implementierung in der Cloud

Eine Neu-Implementierung von S/4HANA kann durchgeführt werden, wenn bisher kein SAP ERP System verwendet wird oder die Konvertierung des bestehenden SAP ERP-Systems – verglichen mit der Neu-Implementierung – zu aufwendig wäre. Im Rahmen einer Neu-Implementierung sind folgende Arbeitspakete pro SAP Activate Phase zu durchlaufen:

Szenario 2a: Neu-Implementierung in der Cloud

Abb. 4: Arbeitspakete pro SAP Activate-Phase im Rahmen einer Neu-Implementierung

In der Discover Phase wird zunächst, via SAP.com und SAP Help Portal, eine High Level Betrachtung von SAP S/4HANA vorgenommen, bevor Detailaspekte betrachtet werden. Anschließend kann eine vorkonfigurierte Trial-Version inkl. Beispieldaten mit Hilfe von rollenbasierten, geführten Produkttouren evaluiert werden.

Die Prepare Phase und Explore Phase beginnen damit, dass via einer SAP Jam Page ein Grundverständnis der SAP Activate Methodology vermittelt werden muss. Dabei stellt der Roadmap Viewer für jede Phase der Methodology die wesentlichen Deliverables, Aufgaben und Accelerators zur Verfügung. Anschließend sollten sich Key User mit dem SAP Learning Hub Learning Room vertraut machen, um die Bedienung des Systems zu verstehen. Danach werden die SAP Best Practices für S/4HANA heruntergeladen und für eine Offline-Auswertung bereitgestellt.

In „klassischen“ ERP Einführungsprojekten wird eine detaillierte Blueprinting Phase durchgeführt, gefolgt von einer zeitintensiven Implementierung. Im Gegensatz dazu werden bei der Neu-Implementierung von S/4HANA lediglich Fit-Gap-Analysen durchgeführt, in denen die in Form der Best Practices zur Verfügung gestellten Prozesse und Stammdaten mit den eigenen Bedarfen verglichen werden. Im Zuge dessen erfolgt eine (zumeist von einem Berater durchgeführte) Betrachtung der Prozesse im System, die von diversen Dokumentationen (z.B. Prozess-Beschreibungen, Prozess-Diagramme und Test-Skripte) unterstützt wird. Im Vergleich zum klassischen Ansatz werden Zeit und Kosten in einem signifikanten Umfang verringert. Für jedes ermittelte Gap muss anschließend der entsprechende To-Be-Prozess definiert werden.

In der Realize Phase erfolgt zunächst die (Delta-) Konfiguration des Systems, d.h. eine Anpassung der ausgelieferten Prozesse und Stammdaten an die Bedürfnisse des eigenen Unternehmens. Dabei werden z.B. Organisationsstrukturen, der Chart of Accounts, spezielle Stammdaten Werte und Einstellungen bzgl. Genehmigungs Workflows angepasst. Darüber hinaus werden bestehende Prozesse angepasst oder komplett neue Prozesse implementiert. Die oben beschriebene „Guided Configuration“ unterstützt den Implementierer bei der Durchführung dieser Schritte. Anschließend erfolgt die Migration von Stamm- und Bewegungsdaten, die auch seitens der SAP Activate Methodology unterstützt wird.

Abgeschlossen wird die Realize Phase durch Testing Aktivitäten. Test-Skripte sind dabei ein integraler Bestandteil der von SAP bereitgestellten Best Practices. Diese Skripte können verwendet werden, um ausgelieferte Prozesse einem End-to-End Testing zu unterziehen. Sofern ausgelieferte Prozesse verändert oder neue Prozesse hinzugefügt wurden, bietet SAP Activate Templates an, um die Testaktivitäten zu strukturieren und dokumentieren.

Da in diesem Szenario eine Neu-Implementierung in der Cloud durchgeführt wird, muss in der Deploy Phase zunächst das PROD System angefragt werden und das Laden der konfigurierten Lösung sowie der Produktivdaten beantragt und durchgeführt werden. Nach finalen Tests und der Freigabe durch die entsprechenden Stakeholder kann das System live gehen.

Wird S/4HANA in der Hosted Cloud betrieben, übernimmt SAP in der Run Phase den Betrieb, die Überwachung und den Support (je nach Service Level Agreement).

Aufgrund unserer Erfahrung mit der Implementierung von S/4HANA verfügen wir über ein breites Wissen und unterstützen Sie gerne sowohl bei der Erstellung des entsprechenden Business Cases als auch bei der späteren Implementierung.