Latente Steuern auf entstehende Firmen- und Geschäftswerte

Alles, was es zu latenten Steuern im Rahmen der Kapitalkonsolidierung zu beachten gilt, erklärt Benno Rose kurz und bündig.

Das Temporary-Konzept als Methode zur Abgrenzung latenter Steuern

Latente Steuern werden nach dem Temporary-Konzept anhand von Wertdifferenzen zwischen den handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Buchwerten vorgenommen, da es sich um ein bilanzorientiertes Abgrenzungskonzept handelt. Es steht im Gegensatz zum vor allem ergebnisrechnungsorientierten Timing-Konzept, nach dem ergebnisrelevante Wertdifferenzen abgegrenzt werden. Das vormals bestimmende Timing-Konzept beinhaltet die Zielsetzung, den Steueraufwand in sinnvollen Zusammenhang zum handelsrechtlichen Ergebnis vor Steuern zu setzen, welches durch Bildung aktiver Latenzen / latenter Steuerertrag sowie passiver Latenzen / latenter Steueraufwand erreicht werden soll.

Das Temporary-Konzept ist demgegenüber bilanzorientiert und grenzt auch Differenzen ab, welche zuerst ergebnisneutral entstanden sind und erst im weiteren Geschäftsverlauf zu Ergebnisauswirkungen führen werden. Es ist nach diesem Konzept unerheblich, in welchem Zeitraum sich diese Differenzen ausgleichen werden, womit auch quasi-permanente Differenzen (welche teilweise erst mit Auflösung des Unternehmens ausgeglichen werden) der Abgrenzung unterliegen. Die Latenzen, welche mit dem aktuell gesetzlich verabschiedeten Steuersatz bewertet werden müssen, werden nach dieser Konzeption wertmäßig angepasst, sobald die relevanten Steuersätze geändert werden; dabei ist die Frage, ob diese Änderung ergebniswirksam oder ergebnisneutral stattfindet von der ursprünglichen Bildung der zugrundeliegenden Latenzen abhängig. Ergebnisneutral entstandene Latenzen werden somit ergebnisneutral und ergebniswirksam entstandene Latenzen ergebniswirksam aufgrund von Steuersatzänderungen angepasst. Ergebnisneutrale Latenzen sind bspw. aus Wertanpassungen des Anlagevermögens infolge von Neubewertungen (nach IAS 16) oder aufgrund der Buchung von CF-Hedge-Rücklagen zu bilden.

Falls Vermögenswerte handelsrechtlich höher angesetzt werden als steuerrechtlich oder handelsrechtlich überhaupt angesetzt werden, während sie steuerrechtlich nicht angesetzt werden dürfen, entstehen passive Latenzen als Verbindlichkeit des Unternehmens aufgrund zukünftiger höherer Steueraufwendungen, da die Realisierung der höheren handelsrechtlichen Buchwerte mit Aufwendungen aufgrund von Abschreibungen und Abgangsbelastungen einhergeht, welche steuerrechtlich nicht anerkannt werden wird und damit zu höherem laufenden Steueraufwand führen muss. Sollten Vermögenswerte steuerrechtlich höher bewertet werden als handelsrechtlich, werden steuerlich höhere Abschreibungen oder Abgangsaufwendungen anfallen, welche damit den laufenden Steueraufwand zukünftig mindern werden, womit eine Forderung als aktive Latenz anzusetzen sein wird.

Die umgekehrten Schlussfolgerungen treten bei Verbindlichkeiten und Rückstellungen auf, nämlich:

Sollten handelsrechtlich höhere Passiva als steuerrechtlich angesetzt werden, realisieren sich diese Verbindlichkeiten entweder mit höheren steuerrechtlichen Aufwendungen als handelsrechtlichen oder mit höheren handelsrechtlichen Erträgen als steuerrechtlichen. In beiden Fällen ist das zu versteuernde Ergebnis niedriger als das handelsrechtliche Ergebnis und damit der laufende Steueraufwand geringer als es nach handelsrechtlichem Ergebnis vor Steuern zu erwarten gewesen wäre. Im Falle höherer steuerrechtlicher als handelsrechtlicher Passiva ergeben sich die umgekehrten Zusammenhänge.

Permanente Differenzen zwischen tatsächlicher Steuerschuld und dem nach handelsrechtlichem Ergebnis zu erwartenden Steueraufwand werden weder nach Timing- noch nach Temporary-Konzept abgegrenzt. Diese Differenzen entstehen aus außerbilanziellen Mehrungen oder Minderungen innerhalb der steuerlichen Ergebnisermittlung oder aus direkten Kürzungen der tatsächlichen Steuerschuld.

Bilanzierungssachverhalt Differenz Steuerposition
Aktiva Buchwert > Steuerwert Passive Latenz
Aktiva Steuerwert > Buchwert Aktive Latenz
Passiva Buchwert > Steuerwert Aktive Latenz
Passiva Steuerwert > Buchwert Passive Latenz

 

Tabelle 1: Abgrenzungslogik des bilanzorientierten Temporary-Konzeptes

Latente Steuern in der Kapitalkonsolidierung

In IAS 12.11 ist detailliert festgelegt, dass Bilanzdifferenzen als Grundlage der Abgrenzung latenter Steuern anhand eines Vergleiches zwischen Konzernbilanzwert und Steuerbilanzwert der Einzelgesellschaften zu ermitteln sind. Der Steuerwert wird auf Basis der für die Auflösung der Differenz maßgeblichen Steuergesetze in dem Staat, in welchem die Versteuerung des Ergebnisses tatsächlich erfolgt, ermittelt. Grundsätzlich sind alle Bilanzdifferenzen zwischen Konsolidierungswerten und Steuerwerten der Abgrenzung zu unterwerfen. Das betrifft einerseits die Aufdeckung stiller Reserven, welche als im Rahmen der Kaufpreisallokation erhöhte Aktiva und verminderte Passiva definiert sind (Zeitwertbilanzierung im Rahmen des Zugangs zum Konsolidierungskreis) und andererseits die Aufdeckung stiller Lasten, welche verminderte Aktiva und erhöhte Passiva beinhalten, welche ebenfalls im Rahmen des Zukaufes von Konzerngesellschaften auftreten. Diese stillen Reserven und Lasten beeinflussen die Neubewertungsrücklage, die im Rahmen der Kapitalkonsolidierung als Bestandteil des historischen Eigenkapitals eliminiert wird.

Die Differenz zwischen den Beteiligungsbuchwerten, die die Kaufpreise der Konzerngesellschaften im Abschluss der Muttergesellschaft beinhalten, und den historischen Eigenkapitalwerten wird als Geschäfts- oder Firmenwert bei den jeweiligen Tochtergesellschaften aktiviert; damit verändert jede Aufdeckung stiller Reserven und Lasten sowie die Bildung aktiver oder passiver Latenzen auf diese die Neubewertungsrücklage und den Firmenwert. Passive Latenzen auf stille Reserven senken die Neubewertungsrücklage, somit das historische Eigenkapital und schlussendlich wird der Firmenwert erhöht. Der umgekehrte Sachverhalt gilt bei stillen Lasten, auf welche aktive Latenzen gebildet werden. Die Steuerabgrenzung hat damit immer umgekehrte Auswirkungen auf den Firmenwert als die aufgedeckten stillen Reserven und Lasten.

Der Geschäfts- oder Firmenwert stellt einen Vermögenswert im Rahmen der immateriellen Anlagen des erworbenen Tochterunternehmens dar. Grundsätzlich sollte dieser Vermögenswert auch der Steuerabgrenzung unterliegen, was aber nach IFRS ausdrücklich untersagt worden ist (IAS 12.15a, IAS12.21). Begründet wird dieses Verbot mit einer unnötigen Aufblähung bzw. Erhöhung des Firmenwertes durch Bildung von passiven Latenzen auf den ursprünglichen Wert.

Die folgende Formel stellt diesen Zusammenhang übersichtlich mathematisch dar:

Das historische Kapital wird durch den passiven Steuereffekt der Latenzen auf den ursprünglich aufgedeckten Firmenwert vermindert und damit wird der Firmenwert um diesen Effekt vermehrt. Aufgelöst nach dem Firmenwert ergibt sich:

KP bezeichnet den Kaufpreis der Beteiligung, s den relevanten Steuersatz sowie GW den Geschäfts- oder Firmenwert und Hist EK das historische Eigenkapital.