SAP HANA Live und S/4HANA Embedded Analytics – operationales Reporting im Umbruch?

Es wird viel über Anwendungsszenarien und neue Funktionalitäten diskutiert, die SAP HANA Live und S/4HANA Embedded Analytics im Bereich des operationalen Reporting ermöglichen sollen. Durch das weitläufige SAP BI Portfolio fällt es zusätzlich schwer, den Gesamtüberblick zu behalten.

Vielen unserer Kunden stellt sich deshalb die Frage, ob SAP HANA Live und SAP S/4HANA Embedded Analytics möglicherweise nicht einfach nur eine von vielen Alternativen für das operationale Reporting darstellen, ohne wirklich Mehrwert für ein Unternehmen zu generieren. Oder übernimmt HANA Live und Embedded Analytics vielleicht auch bestimmte Aufgaben und Funktionalitäten eines traditionellen Business Intelligence Konzepts – ohne den hierzu notwendigen Aufwand zur Einrichtung, Pflege und Betrieb eines separaten Data Warehouses? Oder erschließen die beiden Konzepte doch vollkommen neue Möglichkeiten zur Analyse der operativen Daten und Prozesse im Unternehmen?

Zur Beantwortung dieser Fragen gilt es zunächst zu verstehen, was genau SAP mit „SAP HANA Live“ und „SAP S/4HANA Embedded Analytics“ zur Verfügung stellt.

Was sind SAP S/4HANA Embedded Analytics und SAP HANA Live?

Unter SAP S/4HANA Embedded Analytics sind eine Reihe von analytischen Funktionalitäten zu verstehen, die in SAP S/4HANA integriert sind und den Benutzer in die Lage versetzen, Echtzeit-Analysen auf transaktionale Daten „live“ durchzuführen. Die Query Abfragen erfolgen also in Echtzeit, direkt auf transaktionale Daten, z.B. eines ERP- oder CRM-Systems, die auf einer HANA Plattform gespeichert sind. Embedded Analytics umfasst ein Standardset von vormodellierten Informationsobjekten und Views (Datenbanksichten) zur Darstellung von operativen Betriebsdaten, ausgeliefert in einem so genannten virtuellen Datenmodell (VDM). Ein virtuelles Datenmodell von SAP ist eine strukturierte Darstellung von SAP HANA Views, die in dem SAP HANA Analytics Framework verwendet werden. Solche Echtzeit Abfragen erlauben es dem Business, bessere und insbesondere zeitnahe Entscheidungen aus den verfügbaren Daten in den Systemen zu treffen.

Zur Nutzung der Analytics Engine sind keine zusätzlichen Installationen, Server, Systeme oder Lizenzen erforderlich. Es müssen lediglich diverse Konfigurationsschritte durchgeführt werden. Embedded Analytics ist Teil der S/4HANA Suite und wird in der Regel mit den neuesten Releases von S/4HANA mitgeliefert (ab Release 1511). Kunden können dabei die vorhandenen Views und das Standard VDM erweitern und selbst neue Views modellieren. Der Großteil des operativen Reporting auf transaktionale Daten kann damit also bereits mit der integrierten S/4HANA Embedded Analytics Engine erfolgen.

Auch mit SAP HANA Live stellt SAP ein technologisches Grundgerüst in Form von virtuellen Datenmodellen bereit, mit dem „live“ auf System- und Quelltabellen berichtet werden kann. Um SAP HANA Live einsatzfähig zu machen, müssen das entsprechende virtuelle Datenmodell importiert sowie weitere Installations- und Konfigurationsschritte vorgenommen werden (z.B. SAP HANA Live for SAP ERP). Der Zugriff auf diese Views kann über einen integrierten Webbrowser erfolgen, dem SAP HANA Live Browser. Bei diesem handelt es sich um eine SAP UI5 basierte Web-Anwendung, die es dem Benutzer erlaubt, die Views schnell und einfach aufzurufen. Der HANA Live Browser bzw. die HANA Live Content Tools müssen auf der HANA Plattform installiert und konfiguriert werden. Für eine freie Analyse der Daten kann zusätzlich Analysis for Office oder Lumira aus der BusinessObjects BI-Suite von SAP verwendet werden. Für beide Front-End Tools existiert eine integrierte Schnittstelle im HANA Live Browser, so dass auch ein ungeübter Benutzer die Views direkt nutzen kann.

Der Einsatz eines Business Warehouse ist bei beiden Konzepten also nicht zwingend notwendig. Damit können sehr schnelle, schlanke und agile Reporting Lösungen für das operative Reporting realisiert werden, die im Vergleich zu einem SAP BW Szenario wesentlich weniger Projektkosten verursachen und auch die Komplexität von Projekten erheblich verringern. Wird beispielsweise S/4HANA in einem Greenfield-Ansatz implementiert, ist der Einsatz von Embedded Analytics für das operationelle Reporting sehr zu empfehlen.

Was ist der Unterschied zwischen SAP HANA Live und S/4HANA Embedded Analytics?

Sowohl SAP HANA Live als auch S/4HANA Embedded Analytics sind von SAP ausgelieferte Standard Inhalte für operatives Echtzeit Reporting, die zu diesem Zweck jedoch unterschiedliche Technologien verwenden. Während SAP HANA Live unmittelbar native SAP HANA SQL Views (Calculation Views) für die Abbildung der virtuellen Datenmodelle verwendet, baut das virtuelle Datenmodell in S/4HANA Embedded Analytics primär auf durch ABAP verwaltete Core Data Services (CDS) des SAP ABAP Layer auf. CDS Views können in der ABAP for Eclipse Umgebung verwaltet werden – native HANA SQL Views hingegen werden im HANA Studio mit dem HANA Information Modeler verwaltet (seit SPS11 auch im HANA Web IDE möglich). Sowohl SAP HANA Live als auch SAP S/4HANA Embedded Analytics kann in den neuesten Fiori UX Technologien integriert werden.

Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass SAP HANA Live Inhalte für die SAP Business Suite auf HANA ausliefert, während S/4HANA Embedded Analytics dies für die neuen vereinfachten Strukturen und Datenmodelle in S/4HANA tut. Die ersten Inhalte von S/4HANA Embedded Analytics wurden mit dem aktuellen S/4HANA 1511 Release in den Bereichen FI, SD, PP Inventory Management und Procurement bereitgestellt.

Abbildung 1: High-Level Architektur SAP HANA Live und SAP S/4HANA Embedded Analytics im Vergleich (eigene Darstellung)

Welchen Mehrwert bieten SAP HANA Live und SAP S/4HANA Embedded Analytics?

Mit beiden Produkten liefert SAP eine sehr praktische technologische Basis für die einfache und schnelle Implementierung eines flexiblen operationellen Echtzeit Reporting. Hierbei sollte auch die Tatsache berücksichtigt werden, dass faktisch an allen implementierten SAP Systemen kundenspezifisches Customizing vorgenommen wird. Die entscheidende Frage hierbei ist also, ob kundenspezifisches Customizing den Einsatz des Standard HANA Contents kategorisch ausschließt.

Das tut es nicht grundsätzlich, jedoch ist die Anpassung der virtuellen Datenmodelle nicht ganz trivial und erfordert einen gewissen Grad an Erfahrung im Umgang mit der HANA Plattform und den HANA Modellierungskonzepten. Bei SAP HANA Live ist die direkte Anpassung der Standard Views, die „out-of-the-box“ mitgeliefert werden, von SAP nicht vorgesehen bzw. ebenso raten wir davon ab, denn diese werden beim Aufspielen neuer Versionen des HANA Live Contents überschrieben, d.h. vorgenommene Anpassungen an den Standard Views gehen verloren.

Stattdessen empfehlen wir die Standard Views in den kundeneigenen Namensraum zu kopieren, auf den Standard Views von SAP (Reuse Views oder Query Views) aufzusetzen und dann individuell um kundenspezifische Anforderungen zu erweitern (z.B. kann es Sinn machen, redundante Kalkulationen in den Query Views zur Performanceoptimierung zu entfernen oder Reuse Views um kundenspezifische Tabellen anzureichern, um den Informationsgehalt im Standard Reporting zu erweitern).

Query Views bilden dabei die oberste Ebene in den virtuellen Datenmodellen von SAP HANA Live (äquivalent zu einem Reporting Layer). Auf diesen erfolgt üblicherweise der direkte Abruf der Daten durch die eingesetzten Applikationen und Front End Tools. Reuse Views bilden die Daten bereits in einer bestimmten Businesslogik ab, dienen als Grundlage für Erweiterungen und werden von anderen Views weiterverwendet, üblicherweise von Query Views. Private Views greifen direkt auf System-/ Quelltabellen und führen erste Transformationen durch, an diesen werden üblicherweise keine Anpassungen vorgenommen. Bei der Migration der SAP Business Suite auf SAP S/4HANA müssen die virtuellen Datenmodelle aus dem SAP HANA Live Content außerdem auf die neuen verbesserten Datenmodellstrukturen angepasst oder alternativ gleich in das neue technologische Konzept mit den CDS Views (Core Data Services) überführt werden.

Abbildung 2: High-Level Architektur SAP HANA Live (Quelle: SAP AG)

Bei der Implementierung von HANA Standard Content sollte man sich also sehr gründlich darüber Gedanken machen, ob das Customizing des Standard Contents ggf. nicht aufwendiger ist als eigene Views und somit ein eigenes „virtuelles Datenmodell“ zu implementieren. Das hängt von den jeweiligen Anforderungen im Reporting ab und sollte vorab gründlich evaluiert werden.

Ersetzen SAP HANA Live und S/4HANA Embedded Analytics das klassische BI Konzept?

Weiterhin stellt sich die Frage, ob die beiden Reporting und Analytics Konzepte auch einige Funktionen eines klassischen Data Warehouse bereitstellen können, ohne Kosten für die hierzu notwendige Installation und Wartung zu verursachen. Deshalb ein kurzer Überblick, wie die beiden Konzepte sich unterscheiden und an welcher Stelle sie sich ähneln:

Zweifelsfrei dienen die Konzepte von HANA Live und Embedded Analytics sowie jenes von SAP BW zur Transformation von transaktionalen Daten mit ihren Stammdaten. Sie unterscheiden sich jedoch in der Art und Weise, wie Sie dies erreichen. Ein Data Warehouse verwendet definierte Extraktions-, Transformations- und Ladeprozesse (ETL), um Transaktionsdaten mit ihren Stammdaten in einer einheitlichen Datenbasis abzuspeichern (Staging Layer). Dieser Prozess geschieht zeitlich vor dem Abruf der eigentlichen Berichte – also zu dem Zeitpunkt, an dem die transaktionalen Daten im SAP BW extrahiert und geladen werden. Mit SAP HANA entsteht die Datenbasis und die Transformation mit den Stammdaten dynamisch beim Ausführen der Berichte in Echtzeit. Der Vorteil liegt darin, dass die Daten für Reporting Zwecke nicht mehr zusätzlich gespeichert und angehäuft werden müssen und die Transformationsprozesse in Echtzeit „on-the-fly“ ablaufen. Diese Transformationsprozesse werden bei jedem Abruf eines Berichts zum jeweiligen Zeitpunkt immer wieder neu ausgeführt und anschließend wieder aus dem Zwischenspeicher gelöscht – es erfolgt also keine Speicherung der kalkulierten Ergebnismenge in der Datenbank.

Die Auswirkung auf die Performance hängt dabei sehr stark von der Komplexität des Datenmodells sowie der Anzahl der replizierten transaktionalen Tabellen und Datensätze ab, die in den Views verwendet werden. Zum Thema Performance sei nebenbei angemerkt, dass Echtzeit Reporting auf HANA Views, die durch die Transformation mehrerer spaltenbasierter Tabellen (Column Stores) modelliert werden, vermutlich nie so schnell sein wird wie ein „Standard“ Reporting auf einer einzigen Tabelle, die vorher durch ETL Prozesse aus mehreren Tabellen transformiert und persistiert wurde (jedoch auch nicht in Echtzeit zur Verfügung steht). Bei sehr großen Tabellen können die Auswirkungen auf die Performance enorm sein – beispielsweise sind analytische Auswertungen der Standardsummentabelle des Hauptbuchs im SAP FI (FAGLFLEXT) auf Basis von HANA Views durchaus empfehlenswert, während umfangreiche analytische Auswertungen von mehreren zusammenhängenden Tabellen eines SAP SD (Sales and Distribution) weniger empfehlenswert sind (unter Performance Aspekten).

Vereinfacht ausgedrückt stellt SAP HANA Live standardmäßig tendenziell keine gute Erweiterung für sehr breite, offene und freie Unternehmensanalysen dar. Weiterhin ist der Einsatz bestimmter Business Intelligence Funktionalitäten, die nur ein klassisches Business Warehouse ermöglicht, nach wie vor notwendig. Dennoch gibt es auch eine Vielzahl an Reporting Anforderungen und Funktionalitäten, die ohne ein Echtzeit HANA System nicht umsetzbar wären. Beide Konzepte müssen sich aber auch nicht ausschließen – ganz im Gegenteil. Denn eine gute Mischung von transaktionalen Echtzeit Daten bspw. aus dem HANA Live Content, historischen Daten aus einem Business Warehouse und Forecast Daten aus einem EPM System (Enterprise Performance Management System) kann sehr sinnvoll sein (z.B. in einem ansprechend gestalteten Management Dashboard). Das zeigt sich auch insbesondere in der Entwicklung, dass SAP immer mehr bemüht ist, neue Funktionalitäten zu entwickeln und diese zu erweitern, um HANA Views ins BW zu integrieren und umgekehrt. Die neueste Einführung von SAP BW/4HANA macht diese Entwicklung noch einmal deutlich.

Fazit zu HANA Live und S/4HANA Embedded Analytics

Zusammenfassend gesagt stellen SAP HANA Live und durch denselben Zweck bedingt auch S/4HANA Embedded Analytics wirkungsvolle Erweiterungen für operationelles Reporting dar, die schnell und mit wenig Aufwand implementierbar sind und vergleichsweise geringe Projektkosten verursachen. Durch den Abruf von Echtzeit Daten erschließen sie außerdem eine neue Sichtweise zur Analyse und Auswertung der Kernprozesse im Unternehmen, insbesondere dann, wenn Systeme der SAP Business Suite oder S/4 HANA bereits im Einsatz sind. Die aktuell flächendeckend eingesetzten klassischen BI Plattformen wie das SAP BW ersetzten sie jedoch aktuell (noch) nicht und sollten im Rahmen einer gesamthaften Business Intelligence und Reporting Strategie in jedem Fall ausreichend berücksichtigt werden.

Gerne unterstützen wir Sie unverbindlich bei weiteren Fragen zu SAP HANA Live und S/4HANA Analytics und stehen Ihnen auch bei Implementierungsprojekten beratend zur Seite. Eine Demonstration von SAP HANA Live ist nach Terminvereinbarung auch auf unserer unternehmenseigenen HANA Sandbox möglich, sprechen Sie uns hierzu einfach an.